Die nachfolgend beschriebene Messung in einem Audi Q5 zeigt die Eignung der Tracergasmesstechnik über ECD-Gaschromatograph und Probenahmespritzen und zeigt die Vorteile gegenüber anderen Verfahren auf. Die Messung dient nicht vorrangig dazu, das Strömungsmuster in einem Pkw unter allen möglichen Lüftungskonstellationen zu untersuchen. Dennoch ist das Ergebnis interessant und zeigt, dass die Vorstellung einer mehr oder weniger gerichteten Luftströmung von vorne nach hinten falsch ist.
Die Ansteckungsgefahr über luftgetragene Aerosolpartikel, an denen Viren angedockt sind, ist derzeit ein wichtiges Thema. Messungen in realen Fahrzeugen, Bahnen und Bussen sind rar, obwohl gerade da die Ansteckungsgefahr aufgrund der Nähe von Personen hoch ist. Mit Computersimulationen wurde versucht, Luftströmungen bei ganz speziellen Randbedingungen zu berechnen. Doch bleiben große Zweifel, weil
- die Abbildung der Geometrie sehr komplex ist und meist aufgrund sehr hoher Rechenzeiten stark vereinfacht wird
- Personen meist als bewegungslose Körper abgebildet sind, obwohl gerade in Stadtbussen viel Bewegung herrscht und
- eine verlässliche Verifikation der Strömungsmodelle für diese spezielle Anwendung nicht vorhanden ist.
Allein die Abbildung der geometrischen Verhältnisse und der Einlassdüsen und die benötigte Rechenzeit erfordern einen enormen Zeitaufwand … und eine große Unsicherheit bleibt.
Im Folgenden wird eine Tracergasmethodik vorgestellt, mit der sich in wenigen Minuten das Strömungsmuster im Fahrzeug für eine typische Fahrkonstellation mit Personen einfach, sicher und präzise vermessen lässt. Der hierzu benötigte Messaufwand ist vergleichsweise gering. Ein weiterer großer Vorteil liegt darin, genauso einfach wie im Stand auch bei fahrendem Fahrzeug die Messungen durchführen zu können. Die Ergebnisse können sich dabei deutlich unterscheiden. Führt man die im Folgenden beschriebene Messung bei stehendem PkW bei einer bestimmten Lüfterstufe durch, so stellt sich ein bestimmter Zuluftvolumenstrom ein. Fährt das Fahrzeug, dann ändert sich die Druckverteilung an der Pkw Außenhülle. Da wo Abströmöffnungen liegen, herrscht meist ein beträchtlicher Unterdruck, vorne am Lufteinlass ein Überdruck. Das ändert den Luftdurchsatz in der Kabine merklich und damit auch das Strömungsmuster in der Kabine.
Quantitative Bewertungsgrößen der Lüftungseffektivität einer Luftströmung in einem Raum haben als Bezugsgröße entweder die Mischlüftung oder die ideale Verdrängungsströmung als Basis. Das Kabinenvolumen und der eintretende Luftstrom sind weitere wichtige Kenngrößen.
Bestimmung des Fahrzeuginnenvolumens
Obwohl das Kabinenvolumen mit den zahlreichen Einbauten sehr aufwendig zu berechnen ist, ermöglicht die Tracergastechnik hierzu eine einfache und genau Möglichkeit, die sogar mitfahrende Personen bei Bedarf berücksichtigt. Das sei am Beispiel des Q5 erläutert.
Man nimmt eine von TracerTech gelieferte 60ml Plastikspritze gefüllt mit einem SF6/Luftgemisch, hier aus einer vorhandenen Eichgas-flasche von cT = 988ppm, verteilt das Gas im Innenraum und durchmischt dieses so gut, bis dass alles vollständig verteilt ist. Anschließend nimmt man mit 3-5 leeren Spritzen an verschiedenen Stellen im Inneren Luftproben, um zu validieren, dass sich das Tracergas gleichmäßig verteilt hat. Anschließend werden die Proben analysiert. Die mittlere Konzentration ck der lokalen Proben betrug bei der Messung im Q5 15,6ppb bei einer Standardabweichung von 2,2%. Aus diesem Messergebnis berechnet sich das Volumen einschl. der ca. 75 Liter der im Fahrzeug probennehmenden Person zu 3,79m³. Die Dauer der Messung betrug 5 Minuten.
Messung des Zuluftvolumenstromes
Hierzu wird eine Injektionsapparatur zur kontinuierlichen Injektion des Tracergases benötigt. Diese besteht aus einer 1 Liter Gasflasche (pmax = 15 bar) gefüllt mit der zuvor schon verwendeten Tracergaskonzentration von 988 ppm, einem Druckminderer und einem Massenstromregler, entweder batteriebetrieben oder über das 12V Netz des Fahrzeugs. Bild 1 zeigt die benutzte Injektionseinrichtung mit der Versuchsperson auf dem linken Rücksitz.
Die Apparatur wird auf einem Sitz befestigt. Ein 3mm PE-Schlauch wird über die Türe nach außen unter die Motorhaube in den Zuluftkanal der Lüftungsanlage geführt. Je nach Möglichkeit kann eine Injektionslanze die Vermischung in den kurzen Kanälen verbessern.
Zunächst ist zu prüfen, ob aus allen Einströmregistern die gleiche Konzentration an Tracergas herausströmt. Das ist einfach machbar, indem man ein kurzes Stück des 3mm PE Schlauches ca. 5cm in die Ausströmöffnung steckt und mit der angesteckten Spritze am anderen Ende eine Probe nimmt. Das macht man nacheinander an allen Öffnungen für eine definierte Einstellung der Lüfterstufe und wiederholt das dann für alle weiteren Lüfterstufen.
Bei der Messung im Q5 bei stehendem Fahrzeug wurde das für die Lüfterstufen von 2, 6 und 10 Anzeigebalken gemacht. Die Volumenströme wurden nach dem ASTM E2029-99 Standard ausgewertet. Die Gesamtunsicherheit betrug je nach Lüfterstufe 5,9%, 7,3% resp. 8,4%.
Die Messung hätte in identischer Weise auch bei fahrendem Fahrzeug so durchgeführt werden können. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse.
Messung der Virenausbreitung in der Fahrzeugkabine
Simuliert wurde die Ausbreitung von Viren durch eine Mitfahrerin auf dem Rücksitz, siehe Bild 1. Ein konstanter Tracergasstrom strömte direkt vor ihrem Mund aus. 99,9% der ausgeatmeten Sars-CoV-2 Viren sind <5µm und können bei den hohen Luftgeschwindigkeiten im PkW als vollkommen luftgetragen angenommen und deshalb über die Ausbreitung eines Tracergases nachgestellt werden. Das Tracergas muss aber hierzu folgende Anforderungen erfüllen:
- Die Dichte muss identisch mit der Dichte der Luft im Fahrzeug sein, damit es direkt von der ausgeatmeten Luft mitgetragen wird. Das ist wegen der geringen SF6-Konzentration von 988ppm in Luft gegeben.
- Der konstant injizierte Tracergasstrom muss so gering sein, dass das Tracergas nur mit geringem Impuls aus dem Schlauch austritt. Für Fahrzeuge reichen Injektionsströme von 10-30 ml/min meist aus, so dass Austrittsgeschwindigkeiten unter 0,1 m/s und damit unterhalb der lokalen Luftgeschwindigkeiten im Fahrzeug liegen
- Das Tracergas muss von der ausgeatmeten Luft (beim Atmen, Sprechen, Niesen oder Husten) vollständig mitgenommen werden. Das wird dadurch erreicht, dass das Austrittssende des Schlauches direkt vor den Mund der Person geführt wird
- Die geringen Konzentrationen stellen sicher, dass die Versuchsperson in keiner Weise durch das Einatmen von Tracergas gesundheitlich geschädigt wird.
Diese Anforderungen sind sowohl für SF6 als auch für den hier verwendeten Perfluorocarbon Tracer PDCB erfüllt. Beide sind in dem hier verwendeten Bereich gesundheitlich unbedenklich und lassen sich mit der Analytik von TracerTech bis in den unteren ppt-Bereich nachweisen.
Versuchsaufbau und -durchführung
Eine zweite Injektionsapparatur mit dem PDCB Tracer (Konzentration von 0,219 vol%) wird ebenfalls auf der Rückbank befestigt. Die vermeintlich infektiöse Versuchsperson auf der Rückbank hält während der gesamten Messdauer das Schlauchende des austretenden Tracers vor dem Mund und atmet und spricht wie bei einer normalen Autofahrt.
Um die Virenexposition des Fahrers zu messen, wurde ein Schlauch vor dem Mund des Fahrers positioniert (Probenahmeschlauch mit Klebeband am Kinn befestigt), um die eingeatmete PDCB-Konzentration messen zu können. Die Analogie von injiziertem Tracer zu Virenquellstärke erlaubt einen direkten Rückschluss auf die Virenexposition. Aus Interesse wurde ein zweiter Probenahmeschlauch hinten neben dem Beifahrer positioniert und über einen dritten Schlauch wurde wieder die SF6-Konzentration an einer Luftaustrittsdüse gemessen.
Neben dem Fahrer und dem Beifahrer befand sich eine dritte Person auf dem vorderen Beifahrersitz. Zu ihr waren alle drei Probenahmeschläuche hin verlegt worden. Er war für die Probenahme zuständig. Jede Messung bestand in der Einstellung einer Lüfterstufe, der Positionierung aller Düsen und der Einstellung der Lüftungsart (Fußraum, Scheibe etc.).
Der Test begann mit dem Start der Injektion der beiden Tracergase. Anschl. nahm der vordere Beifahrer an allen drei Schläuchen über 90s zeitlich integrale Proben, tauschte die drei Spritzen innerhalb von 15s und begann mit dem nächsten Messpunkt, so dass alle 2 Minuten der nächste Probenahmezyklus starten konnte. Aufgrund der hohen Luftwechselrate ergibt sich der Gleichgewichtszustand bereits nach wenigen Minuten, so dass die Vermessung eines Strömungsmusters im Maximum 12 Minuten betrug.
Tabelle 1 zeigt die eintretenden Luftvolumenströme Q, den berechneten Luftwechsel n, die sich bei Mischlüftung einstellende Gleichgewichtskonzentration C∞ sowie die Zeitdauer Dt98, bis das 98% der Gleichgewichtskonzentration erreicht ist.
Es wurden insgesamt 4 Tests durchgeführt:
Test 1, Lüfterstufe 2 Balken, Lüftung nur durch horizontal ausblasende Frontschlitze
Test 2, Lüfterstufe 6 Balken, Lüftung nur durch horizontal ausblasende Frontschlitze
Test 3, Lüfterstufe 9 Balken, Lüftung nur durch horizontal ausblasende Frontschlitze
Test 3, Lüfterstufe 6 Balken, Lüftung nach oben gegen Frontscheibe
Bild 2 zeigt für jeden Test links die PDCB-Konzentration beim Fahrer und Beifahrer hinten rechts auf der Rückbank (Index RB) als auch die aus Injektionsrate und Zuluft berechnete Mischkonzentration. Rechts in Bild 2 ist jeweils die SF6-Konzentration im Zuluftkanal, vor dem Mund des Fahrers und auf der rechten Seite der Rückbank aufgezeichnet. Erwartungsgemäß liegen für alle 4 Tests die Konzentrationen bis auf ein leichtes Einpendeln am Anfang jedes Tests nahezu deckungsgleich übereinander.
Lediglich das Konzentrationsniveau ist aufgrund der verschiedenen Lüfterstufen verschoben. Die vier PDCB- Diagramme zeigen, dass es bei wenig Zuluft (2 Balken) ca. 5 Minuten (15:10-15:15) dauert, bis dass sich die PDCB-Konzentration vom rechten Rücksitz auf eine Gleichgewichtskonzentration um 25ppb ausgebildet hat. Hierbei liegt die Konzentration beim Fahrer sogar oberhalb der Konzentration bei vollständiger Durchmischung.
Je mehr Zuluft nun in die Fahrzeugkabine strömt, so intensiver durchmischt sich die Luft in der Fahrzeugkabine aufgrund der großen Induktionswirkung der Zuluftauslässe. Es zeigt, dass sich in der Fahrzeugkabine keine gerichtete Luftströmung von vorne nach hinten einstellt, sondern die Luft gut durchmischt ist. Bei geringen Lüfterstufen könnte man sogar vermuten, dass sich eine Walze ausbildet, die sogar verstärkt kontaminierte Luft vom Fonds in den Frontbereich befördert. Zu dieser Bestätigung wären sicherlich weitere Messungen erforderlich. Erwähnenswert ist das Ergebnis in Test 4, wenn die Zuluft direkt unter der Frontscheibe nach oben ausströmt. Hier liegt die Konzentration sowohl beim Fahrer als auch beim rechten Beifahrer im Fonds ca. 50% unterhalb der Mischkonzentration, was vermuten lässt, dass die Durchmischung weniger intensiv und mehr horizontal von vorne nach hinten gerichtet ist
Für tragfähige Aussagen sind sicherlich weitere Versuche von Nöten. Die Ergebnisse aber zeigen, dass die verwendete Versuchstechnik für derartige Untersuchungen prädestiniert ist.
Die Tests wurden von TracerTech durchgeführt.